Um diesen Thread über Bandwurmfinnen in Ameisen zu einem Ende zu bringen:Es gibt noch einiges über unsere diversen Arbeiten auf diesem Gebiet zu berichten. Ich habe immer dann, wenn mir ein paar befallene Völkchen in die Hände fielen, etwas damit experimentiert. Für ein DFG-Projekt war mir die Fundhäufigkeit zu gering. Beros et al. (2015) haben ein sehr reiches Vorkommen entdeckt, das die Planung und Durchführung einer umfangreicheren Studie ermöglichte, siehe oben,
viewtopic.php?f=23&t=367&p=9789#p9766 ).
Für mich eine große Frage war die
Verbreitung, der zwei Bandwurm-Arten, und in welchen
Endwirten sie vorkommen. Beides ist nach wie vor unklar.
Weshalb kommt
Choanotaenia unicoronata in den Alpen vor, als Finne nur in
Leptothorax spp. und in deren Sklavenhalter
Harpagoxenus sublaevis, nicht aber im Nürnberger Reichswald, wo wir mehrere Tausend Völkchen dieser Gattung gesammelt oder auf der Suche nach
Harpagoxenus inspiziert haben?
Weshalb wurde
Anomotaenia brevis von Frankreich bis ins Mittelrheingebiet und, sehr selten, bis zum Untermain, in
Temnothorax spp. gefunden, nicht aber weiter östlich, etwa in der Umgebung von Würzburg, die ebenfalls sehr intensiv besammelt wurde?
Die Frage, ob es Vogelarten gibt, die in dieses Verbreitungsmuster passen (also etwa nur im Gebiet der
A. brevis vorkommen, oder nur im alpinen Gebet der
C. unicoronata) konnte mir auch von Ornithologen nicht beantwortet werden.
Was sind die Vogelarten, die als Endwirte in Frage kommen?
Ein nettes Beispiel (ich glaube, ich habe darüber mal im AF berichtet):
Damals (vor einem Umbau des Instituts) verflogen sich im März und Oktober regelmäßig Kohlmeisen bzw. ein paar Blaumeisen durch „gekippte“ Oberlichter in die Flure des Instituts, bevorzugt an Wochenenden. Ich habe sie seinerzeit immer eingefangen und ins Freie befördert.
Zehn solche Meisen habe ich kurzfristig gekäfigt und Kotproben untersucht: Tatsächlich waren acht von zehn der Tiere infiziert! (Damit war es natürlich aussichtslos, „gelbe“ Ameisen an solche Vögel zu verfüttern um zu sehen, ob später passende Bandwurmeier oder -glieder in ihrem Kot auftauchen!)
Im Kot der frisch gefangenen Meisen fanden sich ganze, umher kriechende Bandwurmglieder (Proglottiden) sowie Teile des Bandwurm-Uterus, sog. "Eikapseln", die Bandwurmeier enthielten.
Temnothorax nylanderi –Völkchen, trugen begierig diese Bandwurmteile ins Nest und legten sie den Larven auf den Mundbereich (vgl.
http://ameisenwiki.de/index.php/Ern%C3% ... von_Larven )
Doch tags darauf sah ich unter dem Präpariermikroskop, dass die Bandwurmteile verzehrt worden waren, aber auf dem Abfall lagen unversehrt die Bandwurmeier! Die hätten von den Ameisenlarven geschluckt werden müssen. – Die Vermutung liegt nahe, dass die Bandwürmer in Kohl- und Blaumeise zu anderen Bandwurm-Arten gehören und nicht
Temnothorax-Arten als Zwischenwirte nutzen, sondern irgendwelche anderen Insekten bzw. Arthropoden.
Der Versuch, eine Genehmigung zur kurzzeitigen Haltung von Klein- oder Mittelspecht zu bekommen (für Kotproben), scheiterte daran, dass die Naturschutzbehörde das untersagt hat. So ist also noch immer offen, wer als Endwirt für die Bandwürmer dient. (Peru et al. 1990 haben "gelbe"
T. nylanderi an Wachtelküken verfüttert, wonach in deren Darm Bandwürmer heranwuchsen. Dasgelang jedoch nur bei Fütterung der Küken mit einem speziellen Weichfresser-Futter. Wachteln gehören somit sicher nicht zum natürlichen Wirtsspektrum der Bandwürmer).
Auch zum
Jahreszyklus kann man bisher nur spekulieren: Eigentlich sollte ein gut angepasster Bandwurm im Winter eine Ruhephase einlegen und seinen Vogelwirt möglichst wenig belasten. In der kalten Zeit abgegebene Bandwurmeier werden ja nicht an Ameisenlarven verfüttert, und ein Vogel käme besser durch die schlechte Jahreszeit, wenn der Bandwurm nicht auch noch an dem kargen Futter partizipieren würde.
Aber: Unsere Meisen haben zumindest im Oktober und im März Bandwurmeier abgegeben.
„Gelbe“ Ameisen mit Bandwurmfinnen wurden nicht nur in Europa gefunden, sondern
auch in Nordamerika:
Stuart, R. J., and T.M. Alloway, (1988): Aberrant yellow ants: North American
Leptothorax species as intermediate hosts of Cestodes, pp. 537-545 in J. C. Trager (ed.), Advances in Myrmecology. E. J. Brill,Leiden.
Die Wirtsarten waren in Québec
Leptothorax “muscorum” (eine der mehreren Arten in Nordamerika aus diesem Komplex) und
Temnothorax curvispinosus (eine der „acorn ants“) in Illinois, Michigan und Ohio. Vermutlich handelt es sich dabei auch um Bandwürmer der Gattungen
Choanotaenia und
Anomotaenia, aberwahrscheinlich nicht um dieselben beiden Arten wie in Europa.
Heinze, J., Rüppell, O., Foitzik, S., Buschinger, A. (1998): First records of
Leptothorax rugatulus (Hymenoptera: Formicidae) with cysticeroids of tapeworms (Cestoda: Dilepididae) from the Southwestern United States. - Florida Entomologist 81, 122-125.
Es handelt sich um
Temnothorax rugatulus, und um eine Bandwurmart, die der europäischen
Anomotaenia nahe steht.
Ergänzend ist zu sagen, dass als Endwirte für
Anomotaenia brevis in Europa zwei Spechtarten,
Dendrocopos major und
D. minor (Buntspecht und Kleinspecht) bisher nur
vermutet werden, jedoch nicht bestätigt sind. Das hat mir auch Frau Prof. Foitzik am 20.11.2015 per e-mail bestätigt.
So bleiben auch nach der eingangs vorgestellten Arbeit von Beros et al. (2015) doch noch ziemlich viele Fragen offen. Der Forschung gehen die Themen nicht aus!
MfG,
Merkur