Socially Parasitic Ants Evolve a Mosaic of Host-Matching and Parasitic Morphological Traits. - Georg Fischer, Nicholas R. Friedman, Jen-Pan Huang, Nitish Narula, L. LaceyKnowles, Brian L. Fisher, Alexander S. Mikheyev, and Evan P. Economo, 2020
(Sozialparasitische Ameisen entwickeln ein morphologisches Mosaik aus Annäherung an die Wirtsarten und Sozialparasiten-Merkmalen)
Published: July 23, 2020 DOI:
https://doi.org/10.1016/j.cub.2020.06.078 Highlights - A monophyletic group of Malagasy
Pheidole ants parasitizes congeneric host species
- Host species are not the closest relatives of parasites;
Emery’s rule does not apply - 2D and 3D analyses show parasite morphology tends to match their host
- Morphological sensing by hosts is proposed as a selective force (Wasmannian mimicry)
SummaryA basic expectation of evolution by natural selection is that species morphologies will adapt to their ecological niche. In social organisms, this may include selective pressure from the social environment. Many non-ant parasites of ant colonies are known to mimic the morphology of their host species, often in striking fashion [1, 2], indicating there is selection on parasite morphology to match the host (Batesian and/or Wasmannian mimicry [3]). However, ants that parasitize other ant societies are usually closely related to their hosts (Emery’s rule) [4, 5, 6, 7, 8] and expected to be similar due to common ancestry, making any kind of mimicry difficult to detect [9]. Here, we investigate the diversification of the hyperdiverse ant genus Pheidole in Madagascar, including the evolution of 13 putative social parasite species within a broader radiation of over 100 ant species on the island. We find that the parasitic species are monophyletic and that their associated hosts are spread across the Malagasy Pheidole radiation. This provides an opportunity to test for selection on morphological similarity and divergence between parasites and hosts. Using X-ray microtomography and both linear measurements and three-dimensional (3D) geometric morphometrics, we show that ant social parasite worker morphologies feature a mix of “host-matching” and “parasitic” traits, where the former converge on the host phenotype and the latter diverge from typical Pheidole phenotypes to match a common parasitic syndrome. This finding highlights the role of social context in shaping the evolution of phenotypes and raises questions about the role of morphological sensing in nestmate recognition. (
Hervorhebung durch mich)
Mein Kommentar:Ich habe die Arbeit ziemlich genau durchgesehen; Sozialparasitismus bei Ameisen ist schließlich eines meiner Forschungsgebiete.
Ich bin enttäuscht!Das o.g.
„highlight“, „
Host species are not the closest relatives of parasites; Emery’s rule does not apply“ (Die Wirtsarten sind nicht die engsten Verwandte der Parasiten; die Emery‘s rule trifft nicht zu),
ist ein alter Hut! Das ist z. B. nachzulesen in meiner (bei Fischer et al. als #8 zitierten!) Arbeit Buschinger, A. (2009):
Social parasitism among ants: a review. (Hymenoptera: Formicidae).- Myrmecol. News 12: 219-235.
https://myrmecologicalnews.org/cms/inde ... Itemid=356 .
Die Arbeit wurde bei G. Fischer et al. zitiert, doch so, als hätte ich die Emery’s rule im strikten Sinn vertreten!
In Buschinger (2009) wiederum sind ältere Arbeiten genannt, in denen die
Emery’s rule bereits seit 1970 widerlegt wurde.
Beispiel:On the first question, concerning the close systematic relationship between hosts and parasites, most authors are in accord. EMERY (1909) pointed out that all the inquilines, slave-makers and temporary parasites are close relatives of their respective host species ("Emery's rule", LE MASNE 1956). The validity of Emery's rule has been intensively discussed, particularly since genetic methods could be applied. A major debate has dealt with this rule in a "strict" and in a "loose" form. In fact, EMERY (1909) had formulated his statement a bit thoughtlessly. At his time it had been known quite well that slave-maker species each can parasitize two or more slave species at once. Hence, Emery's rule in the strict sense, saying that every parasitic species derives directly from its host species was obsolete from the beginning (BUSCHINGER 1970, 1990). Multiple host species may also occur among inquilines (HEINZE & al. 1995). Molecular studies have confirmed that Emery's rule usually applies but in the loose sense: the parasites derive from the species group or, more frequently, the genus to which their hosts belong (e.g., BAUR &al.1995,PARKER &RISSING 2002, SUMNER& al. 2004). Also: Eine Sklavenhalter-Art (
Polyergus rufescens sp., oder
Harpagoxenus sublaevis, kann mehrere Wirtsarten parasitieren. Welche der Wirtsarten soll dann die dem Parasiten nächst verwandte sein? Weiterhin gibt es offensichtlich monophyletische Gruppen von Sozialparasiten (ehemalige Gattungen
Myrmoxenus,
Chalepoxenus), die sich in Anpassung an verschiedene Wirtsarten aufgespalten haben. Auch hier: Es ist undenkbar, dass alle ca. 10 Arten von
Myrmoxenus separat aus ihren jeweiligen Wirtsarten entstanden sind und dann konvergent die morphologischen und Verhaltensmerkmale entwickelt haben, die für die ganze Gattung charakteristisch sind!
Immerhin ist tröstlich, dass auch modernste molekulare Techniken diese betagte Erkenntnis bestätigt haben, wonach die jeweilige Wirtsart eben nicht die zum Parasiten nächst verwandte Art ist.Ein
weiterer Kritikpunkt fällt mir auf:
Man hat in der Gattung
Pheidole, mit über 100 Arten auf Madagaskar, eine monophyletische Gruppe von 13 Sozialparasiten identifiziert, „
putative“, also „
vermutlich“ sozialparasitische Arten!
In einer so wenig untersuchten Ameisenfauna wie der von Madagaskar so viele Sozialparasiten zu finden, ist schon erstaunlich.
Ihre parasitische Lebensweise dürfte kaum untersucht sein. Anscheinend haben auch alle Parasiten eine Arbeiterinnen-Kaste. Sind es temporäre Parasiten? Inquilinen haben üblicherweise keine, oder allenfalls sehr wenige Arbeiterinnen. Die meisten untersuchten Proben tragen nur provisorische Bezeichnungen, sind also noch nicht einmal wissenschaftlich beschrieben und benannt. Irgendwelche publizierten Informationen über diese Arten lassen sich somit nicht auffinden so weit sie überhaupt existieren.
Aufgrund welcher Kriterien wurden sie als
„putative social parasites“ eingestuft??? -
Siehe Beginn der Results & Discussion:
>Among this group, however, we found 13 unusual species, which we call the Pheidole lucida group (for the first of its two described species, P. lucida), all of which are associated with other Pheidole species in Madagascar (Data S1)<(Es wurden 13 „ungewöhnliche“ Arten gefunden, die als Pheidole lucida-Gruppe bezeichnet werden (nach der ersten von zwei beschriebenen Arten, P. lucida), und die alle mit anderen Pheidole-Arten auf Madagascar vergesellschaftet sind.)
Fig. S3: Königinnen der „parasitischen“ Arten sind kleiner und haben nicht die für
Pheidole typische Kopfform. Sie unterscheiden sich auch in weiteren Messwerten und Indices.
Es gibt also keine Zuordnung zu den bekannten Typen von Sozialparasitismus; alle bisher untersuchten Sozialparasiten, die in die engere Verwandtschaft ihrer Wirtsarten gehören, ließen sich bisher diesen Typen zuordnen. Was also heißt „vergesellschaftet“ (engl. „
associated with“)?
Schließlich wird aufgrund sehr umfangreicher Messungen von Wirtsarten und vermuteten Parasiten geschlossen, dass die Parasiten sich morphologisch in Richtung auf die Gestalt der Wirte entwickelt haben, wodurch sie für diese taktil (also bei Berührung) schlechter identifizierbar sind. - Wenn man weiß, welch absurd gestaltete Ameisengäste, oder auch auffällig „anders“ gestaltete Sozialparasiten in Ameisennestern angetroffen werden können (vgl.
Harpagoxenus und
Leptothorax spp., oder
Anergates und selbständige
Tetramorium, u.a.), erscheint mir dieser Schluss doch recht weit hergeholt.
Die Arbeit hat
laut Titel die morphologische Anpassung der Parasiten an die Wirte zum Thema. Ich kann ich mir andere, besser untersuchte Parasit-Wirts-Gruppen vorstellen, an denen sich die Hypothese der Autoren untermauern bzw. widerlegen lassen könnte. Man denke an die Untergattung
Chthonolasius (temporäre Parasiten), an die Sklavenhalter (Gattung
Harpagoxenus vs.
Leptothorax; Gattungen
Myrmoxenus und
Chalepoxenus vs. Wirtsarten aus
Temnothorax), und andere.
Es ist sicher nur ein Problem für eine kleine Gruppe von Ameisen-Spezialisten. Für die Ameisenhaltung ist es wohl belanglos. Aber diese Arbeit passt gut in moderne Trends, Hypothesen zu generieren und mit bewundernswert großem Aufwand zu untermauern, wobei die bekannten biologischen Fakten leider oft keine hinreichende Berücksichtigung finden.
MfG,
Merkur