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Gesucht und gefunden: Moorameise Formica picea

BeitragVerfasst: Freitag 29. Juli 2022, 15:10
von Boro
Die Moorameise Formica (Serviformica) picea galt seit 41 als verschollen. Ursprünglich gab es drei historische Fundpunkte, wovon einer bereits nach der Nachbestimmung des Belegs als Fehlbestimmung ausgeschieden werden musste (Verwechslung mit F. lemani). Daneben wird die Ameisenart auch gerne mit F. fusca verwechselt. Es blieben also zwei mögliche Fundorte übrig, von einer Art, die in den Südalpen ihre südliche Verbreitungsgrenze finden dürfte. In Slowenien z. B. wurde sie bisher nicht gefunden. Eine der Fundangaben galt als "seriös", die zweite Angabe wird eher als unsicher eingestuft. Anlässlich der Erstellung einer neuen Roten Liste für alle Tierarten in Kärnten, wurde ich von den Initiatoren gefragt, ob ich bereit wäre in den zwei Fundgebieten Nachschau zu halten. Ich war noch nie in einem "echten" Moor und habe daher einen Kollegen vom hiesigen Naturwissenschaftlichen Verein um Hilfe ersucht. Bei den Mooren im Gailtal (Südkärnten) handelt es sich um Hochmoore, die teilweise als Natura 2000-Gebiete mit der Nutzung als Viehweide im Einklang stehen. Nach erfolgloser Begehung des ersten Teilabschnittes gelang exakt auf den Tag nach 41 Jahren im Mai die Wiederentdeckung dieser bei uns auf alle Fälle sehr seltenen Art. Eine Nachschau im zweiten angegebenen Fundgebiet blieb bisher erfolglos.
Es gibt sie also noch diese seltene Ameise, die nördlich der Alpen noch etwas häufiger gefunden wird.
Die Fotos beziehen sich
1.) auf die erste erfolglose Begehung [Ameisenarten: sehr häufig Lasius platythorax, 3 Funde von F. fusca und ein Fund mit Formica sanguinea-Arbeiterinnen auf einem Baumstamm]
2.) auf die zweite erfolgreiche Nachschau. Zwischen beiden Biotopen, die teilweise nur etwa 50 m voneinander durch einen Wassergraben und ein schmales Waldstück getrennt sind, bestehen beachtliche Unterschiede, die sich auch in der Artenvielfalt ausdrücken.[Ameisenarten: zahlreiche Nester von Camponotus vagus (!!) in den abgeschnittenen Fichtenstrünken, Formica picea, F. cunicularia, F. fusca, F. rufibarbis, F. rufa, F. polyctena (die Nester beschränkten sich hier immer nur auf einen Bult), Temnothorax affinis auf Baumstamm. Gut, F. picea gilt als sehr frosthart, aber die anderen thermophilen Formica Arten, wie überwintern diese Arten in max. 30 cm hohen Bulten über dem Wasserstand?. Lasius platythorax war hier selten anzutreffen! Hier zeigten sich auch etliche Exemplare der Waldeidechse, extrem flinke Tiere, die ich leider nicht fotografieren konnte!
L.G.

Re: Gesucht und gefunden: Moorameise Formica picea

BeitragVerfasst: Samstag 30. Juli 2022, 12:37
von Reber
Hallo Boro,
herzlichen Dank für deinen fundierten und ermutigenden Bericht! Es ist nicht einfach Wissenschaft aus erster Hand, sondern für mich auch schön zu sehen, dass seltene, verschollen geglaubte Ameisen nach 41 Jahren am selben (isolierten) Standort wiederentdeckt werden können. Das nährt bei mir auch die Hoffnung, dass vielleicht doch die Uralameise (Formica uralensis), die in der Schweiz seit Jahrzehnten als verschollen/ausgestorben gilt, mit etwas Glück wiederentdeckt werden könnte. Die Art soll ja sozialparasitär bei Formica picea gründen. Immerhin wäre deren Wiederentdeckung - im Unterschied zu Formica picea - für Nichtexperten eher zu bewerkstelligen, da der gänzlich schwarze Kopf (inkl. Wangen) bei einer Waldameise schon ein gutes Erkennungsmerkmal ist.

Re: Gesucht und gefunden: Moorameise Formica picea

BeitragVerfasst: Sonntag 31. Juli 2022, 09:19
von Boro
Hallo Reber!
Danke für deinen Kommentar. Formica picea ist auch nicht leicht zu bestimmen, sie wird oft mit F. fusca und F. lemani verwechselt. Ich halte vor allem die Unterscheidung von F. lemani für schwierig. Von der äußeren Erscheinung ähnelnt picea eher Formica gagates (siehe hier im Forum), diese bewohnt aber ganz andere Habitate und aus diesem Grund kann es hier keine Verwechslung geben. Gegenüber F. fusca weist F. picea eine vollkommen schwarz glänzende Körperoberfläche auf und am Pronotum gibt es immer etliche abstehende Borsten, kleinere am Mesonotum (Foto 1). Die verteilten Borsten auf der Gasteroberfläche sind etwas länger. Der entscheidende Unterschied besteht aber in der dünnen Pubeszenz auf dem 1. Gastertergit (Foto 2). Auch hier kann es hin und wieder Probleme geben, zuletzt bekam ich Proben aus dem Weinviertel in Niederösterreich (subpannonisch) von F. fusca mit stark glänzenden und vollkommen schwarzen Exemplaren mit etwas dünnerer Pubeszenz. Ich dachte zuerst an F. gagates (dort vorkommend), aber die Auswertung der Behaarungsmerkmale ergab eindeutig fusca. Wer weiß, vielleicht kann es Hybriden aus fusca und gagates geben?
Zwischen F. picea und F. lemani ist das äußere Erscheinungsbild ähnlicher: Ebenfalls Behaarung auf dem Pronotum und dünne Pubeszenz am 1. Tergit (etwa im Vergleich zu fusca), aber die Pubeszenz bei F. picea ist noch deutlich geringer: "Abstand der Pubeszenzhaare wenigstens so groß wie ihre Länge" (Seifert 2007). Für weitere Unterschiede braucht man die Morphometrie. Fotos v. Roman Borovsky, Belege in Alkohol.
L.G.

Re: Gesucht und gefunden: Moorameise Formica picea

BeitragVerfasst: Montag 15. Mai 2023, 09:16
von Boro
Formic picea ist jedenfalls eine seltene Art mit speziellen Habitatsansprüchen. In Österreich gibt es wenige Fundorte, die meisten nördlich des Alpenhauptkammes. In Kärnten gibt es derzeit einen Fundbereich in einem Hochmoor (siehe oben). Sohn Roman hat im Land Salzburg in einem Hochmoor ebenfalls die Art in einem Hochmoor entdeckt. F. picea ist nicht leicht zu bestimmen und wird (wurde) häufig mit F. lemani verwechselt:
viewtopic.php?f=48&t=1066&p=8402&hilit=Formica+lemani&sid=a09971924debd561cc86203fa558556a#p8402
Auch mit F. fusca, obwohl es da schon recht deutliche Behaarungsunterschiede gib. Wegen der geringeren Behaarung (Pubeszenz) erinntert der Glanz der schwarzen Körperoberfläche auch an F. gagates (mit völlig anderen Lebensraumansprüchen). Fotos: Roman Borovsky