von Boro » Montag 22. August 2022, 10:31
Update zu Megachile sculpturalis
Die Asiatische Mörtelbiene, die derzeit größte Biene in Mitteleuropa, ist ein recht junges Neozoon: In Europa erstmals 2008 in Frankreich (Marseille) aufgetaucht, danach folgt eine rasante Ausbreitung in Süd- und Mitteleuropa: 2015 in der Bodenseeregion (Deutschland, Schweiz), 2016 Erstfund in Südtirol (Meran), 2017 Österreich (Wien), 2019 Graz (Steiermark), Klagenfurt (Kärnten), Eisenstadt(Burgenland). Inzwischen sind 51 Fundpunkte in Österreich gemeldet (alle Bundesländer außer Oberösterreich). Diese rasante Ausbreitung kann mit sehr guten Flugeigenschaften des großen Insekts erklärt werden, aber die mitunter großen Distanzen zwischen einzelnen Funden dürften auf innereuropäische Ausbreitung im Zuge des Güterverkehrs hinweisen. Auffallend ist das schwerpunktmäßige Auftreten in Städten oder randurbanen Bereichen. Man führt das auf künstliche Nisthilfen (Insektenhotels) und das Vorhandensein von exotischen Pflanzen in Gärten und Parkanlagen zurück.
Ich konnte meine Mörtelbiene vom 08.07. bis zum 19.08.2022 täglich mehrmals (mit 2, 3 Ausnahmen) beobachten. Es wurden in dieser Zeit 9 Röhren des Insektenhotels "bearbeitet", die letzte Röhre dürfte aber nicht belegt worden sein. Mit dieser aktiven Lebenszeit dürfte sie die meisten heimischen Wildbienen deutlich übertreffen, die heimischen Mörtelbienen (vor allem Osmia spp.) arbeiten (und leben) jedoch ganz vorwiegend kürzer, von Ende März bis Ende April, dann ist Schluss. Die Asiatische Mörtelbiene hat jedenfalls von Anfang Juli bis zum 19. August gelebt und gearbeitet. Seit dem 19.08. ist sie verschollen. Nachdem von den 9 Brutröhren zumindest sechs davon voll belegt wurden, kann man von einer guten Fruchtbarkeit ausgehen. Darin liegt sicher ein Teil ihrer erfolgreichen Ansiedelung.
Zusätzlich scheint es die einzige Bienenart zu sein, die zur Verkleidung der Innenräume, der Trennwände zwischen den einzelnen Abteilungen und des Außenverschlusses Harz von Nadelbäumen verwendet und mit kleinen Holzpartikeln oder Lehm mischt. Das scheint mir eine recht stabile Verbauung zu sein, die ein Eindringen von Parasiten erschweren dürfte. Von den heimischen Megachile-Arten ist eine derartige Verbauung unbekannt, diese verwenden oft Blatt- und Pflanzenmaterial ("Blattschneiderbienen").
Eigene Beobachtungen haben ergeben, dass es sich um eine nur tagaktive, recht thermophile Art handelt. Ohne Besonnung des Neststandortes findet unter etwa 20°C keine Aktivität statt. Bei Regen oder kühlen Temperaturen herrscht Ruhepause. In dem Zusammenhang erinnert sie mich an andere thermophile Insekten, etwa Dolchwespen, die Grabwespe Isodontia mexicana oder auch die heimischen Polistes-Arten, alle benötigen für ihre Aktivität höhere Temperatures als Vespula, Honigbiene oder Hummel & Co. Mit dem Angebot an geeigneten Nektar- und Pollenlieferanten kommt die exotische Biene gut zurecht, eine ganze Reihe von Blütenpflanzen wird aufgesucht, zuletzt wurde in Südtirol erstmals eine gewisse Affinität zu Sonnenblumen nachgewiesen.
Die Auswirkungen von M. sculpturalis sind bereits teilweise bekannt: Sie kann heimische Nistplatzkonkurrenten verdrängen, kleine Konkurrenten sollen auch hin und wieder getötet werden, Nester von Isodontia mexicana werden ausgeräumt und beschlagnahmt. In den USA, wo M. sculpturalis ebenfalls schon länger invasiv vorhanden ist, sollen sogar Holzbienen Xylocopa (!!) attackiert und verdrängt werden.
Diese Verdrängungsmethoden kann ich nicht bestätigen, aber im Juli/August fliegen bei mir keine anderen Wildbienen mehr, nur kleine solitäre Wespen. Die weitere Einwanderung vor allem Richtung Norden dürfte an klimatische Grenzen stoßen, vor allem die Sommertemperaturen sollen entscheidend sein. Wie es dann im Winter mit der Frosttoleranz aussieht, wird man erst sehen. Gerade in Kärnten gibt es hin und wieder richtig kalte Winter.
Trotz allem - ich freue mich über diesen ungewöhnlichen Gast, es gab jedenfalls eine interessante Beobachtungsreihe. Wenn die Biene nicht mehr auftaucht, hoffe ich im kommenden Frühjahr, etwa Juni, über das Erscheinen der ersten Asiatischen Bienen zu berichten - in diesem Fall wird es sich zuerst um Männchen handeln.