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Alterserscheinungen bei Königinnen

BeitragVerfasst: Samstag 5. Juni 2021, 10:03
von Merkur
Phil hat hier und im eusozial eine in Unterfranken gefundene Nestkönigin einer Lasius sp. vorgestellt. Eine sichere Bestimmung war bisher nicht möglich.
Gelegentlich dieses Fotos möchte ich darauf hinweisen, dass (sehr) alte Königinnen gewisse Änderungen im Aussehen erfahren. Ich stütze mich auf eigene Beobachtungen in langjähriger Haltung u.a. von Harpagoxenus sublaevis, die sich mit Befunden an Freiland-Königinnen junger Völker vs. sehr großer und vermutlich entsprechend alter (ca. 10 Jahre!) decken.
Eigens publiziert wurden diese Beobachtungen nicht, da ausgesprochen gezielte Experimente nicht durchgeführt wurden. Sie gehören zu dem Fundus an „Nebenbeobachtungen“, die halt so im Laufe von Jahrzehnten der Forschung an Ameisen anfallen. ;)

1.) Färbung: Mit zunehmendem Alter erscheint bei Königinnen die Färbung der Cuticula heller, geht von z. B. braun in Richtung gelblich. (Bei der Königin im o.g. Bild könnte dies der Grund für die ungewöhnliche Färbung sein).

2.) „Altersflecken“: Unter der Cuticula liegen bei jungen Königinnen (und Arbeiterinnen sowie Larven,vgl.) oft von außen erkennbare helle bis weiße Fleckchen. Das sind sog. Oenocyten . Sie werden mit zunehmendem Alter dunkler und schließlich braun. (Bei der fraglichen Königin sind zahlreiche solche braunen Flecken erkennbar). - Hölldobler & Wilson (1970, S. 317) diskutieren die Rolle von Oenocyten bei der Altersbestimmung von Ameisen, mit Bezug auf Daten aus den Dissertationen von Buschinger (1967) und Ehrhardt (1970).

3.) „Haarausfall“: Vermutlich dank der langjährigen mechanischen Beanspruchung durch Reibung an Nestwänden, Putzverhalten auch durch Arbeiterinnen) werden die Haare abgenutzt, werden kürzer oder verschwinden ganz. Auch die Pubeszenz kann betroffen sein. Bei der o. g. Königin erscheint vor allem auf dem 2. Gastersegment die Pubeszenz von vorn nach hinten abgewetzt, mit unregelmäßigem Übergang von ganz glatten Bereichen zu solchen mit noch „Restpubeszenz“. Auch die Oberseite des Thorax erscheint ungewöhnlich glatt und frei von jeglicher Behaarung (die könnte natürlich auch ursprünglich nicht vorhanden gewesen sein).

Da Anzahl und Länge von Haaren für die Bestimmung bei Ameisen eine beträchtliche Rolle spielen, muss man wohl vor allem bei älteren Exemplaren solche Veränderungen in Betracht ziehen.

MfG,
Merkur

Re: Alterserscheinungen bei Königinnen

BeitragVerfasst: Samstag 5. Juni 2021, 18:42
von Boro
Ich habe mit Interesse das Foto von Phil betrachtet und da habe ich mich sofort an ältere eigene Fotos oder solche von Sohn Roman erinnert. Ein paar Mal sind Fotos von Gynen aufgetaucht, die jenen von Phil sehr ähnlich sind. Dabei handelt es sich durchwegs um L. psammophilus. Diese Ameisenart ist bei uns in einigen Biotopen häufig und immer wieder erscheinen Gynen, teilw. auch Arbeiterinnen mit einem braun-rötlichen Thorax. Ich habe das damals so gedeutet, dass braune Farbpigmente - in diesem Fall am Foto einen rötlichen "Stich" zeigen. Von l. emarginatus will ich hier nicht reden, die haben aber eine andere Morphologie. An sich kann ich nicht sagen, dass mir die intensive Rotfärbung je bei L. psammophilus in der Natur aufgefallen wäre. Es könnte damnach an der Farbwiedergabe des Fotos liegen, wobei man festhalten muss, dass L. psammophilus nach meinen häufigen Beobachtungen durchschnittlich als "braun" bis "dunkelbraun" und zwar weitgehend homogen gefärbte Art in Erscheinung tritt. So gesehen würde ich die von Phil angedachte Klassifierung als "Lasius cf. psammophilus" unterstützen. Natürlich kann auch ein Alterunsgsprozess im Spiel sein...............
Ich gebe ein Foto (von zahlreichen) von Sohn Roman in den Dateianhang!

Re: Alterserscheinungen bei Königinnen

BeitragVerfasst: Montag 7. Juni 2021, 19:56
von Merkur
Zu den „Alterserscheinungen bei Ameisenköniginnen“ sollen hier ein paar Ergänzungen folgen, hier besonders zu den „Altersflecken“, den zunehmend dunkler pigmentierten Oenocyten.
So hat Hans-Jürgen Ehrhardt 1970 im Institut für Angewandte Zoologie der Univ. Würzburg (dem „Gößwald-Institut“) eine Doktorarbeit vorgelegt:

Ehrhardt-H-J.Diss.1970.jpg
Titelblatt
Er hat darin untersucht, woher die Männchen im polygynen Volk der Waldameise Formica polyctena stammen. Es gibt in den Nestern neben regulär begatteten Königinnen auch permanent unbegattete, sowie solche mit geringem Gehalt an Spermien, und auch Tiere, bei denen der Inhalt als dunkles Konkrement vorliegt. Alle außer den regulär begatteten sind in der Lage Eier zu legen, aus denen sich jedoch ausschließlich Männchen entwickeln. (Auch im Sommer legen sie weiter, aber dann sterben die männl. Larven im 2. Stadium ab).
Er hat zahllose Gynen seziert, zum Teil aus Freilandnestern, aber auch im Labor begattete sowie unbegattete Jungweibchen. Weiterhin konnte er Gynen markieren, in Freilandvölker einbringen,
nach einem Jahr wieder finden und mittels Sezieren verfolgen, was sich geändert hatte. Dabei wurden auch Alterungserscheinungen festgestellt:

Abb.7 Ehrh.-H-J.452.jpg
Bild 7: Weißer Fettkörper in der geöffneten Gaster bei Jungkönigin
(Anm.: Seinerzeit herrschte im Institut die Meinung vor, dass "Gaster" den männlichen Artikel tragen müsse)

Abb. 8 Ehrhardt-H-J.1970.jpg
Bild Abb. 8: Fettkörper mit braunen Oenocyten bei älterer Königinnen

Abb.9-10-Ehrhardt-H-J,-1970.jpg
Bild Abb. 9-10: Die braunen Oenocyten sind an hellen Bereichen der Cuticula von außen zu erkennen.

Solche Arbeiten sind oft nicht leicht zugänglich, da sie nicht oder nicht komplett in einer Zeitschrift publiziert wurden. Sie können aber bei einigen Universitätsbibliotheken, u.a. in Würzburg, eingesehen bzw. ausgeliehen werden.
Damals (ich hatte meine Dissertation auf ähnliche Weise vorzulegen) war es vorgeschrieben, dass man die Arbeit in Maschinenschrift eingereicht hat. Man hat eine Schreibkraft das Manuskript ins Reine tippen lassen, mit mehreren „Durchschlägen“ (mit jeweils einem Blatt Kohlepapier dazwischen; die erste Durchschrift war noch recht gut lesbar, die vierte kaum noch, aber die Xerokopie war damals noch nicht erfunden!). Dann hat man Abbildungen (Fotos oder selbst erstellte Zeichnungen) entweder selbst in der Dunkelkammer vervielfältigt, oder im Fotoladen kopieren lassen, hat die Fotos an passender Stelle in die Seiten eingeklebt; schließlich gab man sie zum Buchbinder. Danach musste man die Arbeit drucken lassen und, wenn ich es recht in Erinnerung habe, 100 Exemplare abliefern, die an verschiedene Uni-Bibliotheken im In- und Ausland verteilt wurden. - Das alles auf eigene Kosten. :roll:

Inhalte der Dissertation von H.-J- Ehrhardt wurden in größerem Umfang in einem Buch verarbeitet: G. H. Schmidt (Editor,1974): Sozialpolymorphismus bei Insekten, 974 Seiten, Wiss. Verl. Ges. mbH, Stuttgart. Insbesondere im Kapitel „Steuerung der Kastenbildung und Geschlechtsregulation im Waldameisenstaat“, Seiten 404 bis 512 ist eine Fülle von Details zu finden.
Auch dieses monumentale Werk mit Beiträgen von 26 Mitarbeitern ist nicht allzu verbreitet und bekannt. Immerhin kann man es gelegentlich antiquarisch erwerben, z. B. hier, ab € 8,-. Der Originalpreis lag seinerzeit bei um die DM 300,- bei recht geringer Auflage.

Viele Beobachtungen und Erkenntnisse früherer Zeiten werden allmählich vergessen, zumal wenn sie nicht gut im Internet zu finden sind. Doch es lohnt sich, auch mal in solche ältere Arbeiten zu sehen! Es sind oft Fundgruben…

MfG,
Merkur