Hallo Merkur,
vielen Dank für deine Gedanken! Ich höre sehr gerne unterschiedliche Meinungen zu dem Thema.
Zunächst:
Mir gefällt auch, wie das Tier montiert ist, so dass es von allen Seiten betrachtet werden kann. Um die rechte Seite abzuscannen, musste es wohl um-montiert werden?
Der Scan umfasst alle Seiten des Tieres - dafür musste ich es auch eine Nadelspitze kleben, damit es auch überall abfotografiert werden konnte. Das war tatsächlich der schwierigste Teil, ich habe bei dem um-montiern einen geplanten Paratypen zerstört. Bei anderen, nicht so wertvollen Specimen nehmen wir üblicherweise Sekundenkleber weil der sehr gut hält, das Tier darf sich nicht bewegen während des Scans. In diesem Fall mussten wir mit verschiedenen Klebern experimentieren, da die Ameise manchmal herunter gerutscht ist, und natürlich sollte man nur lösliche Kleber dafür nehmen, damit man das Tier ggf. umpositionieren kann.
Die Beinposition ist bei dem gezeigten Scan erst am Computermodell nachträglich korrigiert worden; deswegen wird es auch nicht der endgültige Scan im Paper werden, da wir es so wahrheitsgetreu wie möglich darin haben möchten. Aber zur Präsentation eignet sich natürlich das bearbeitete Exemplar.
Für taxonomische Zwecke wird man dennoch ein Holotypus-Exemplar in einem Museum deponieren müssen.
Ebenso wird man nicht umhin können, mehrere Nicht-Holotypus-Exemplare (falls vorhanden) auf herkömmliche Weise zu vermessen um die Variationsbreite darzustellen.
- Ich stelle es mir sehr aufwändig vor, mehrere Exemplare in Form solcher DISC3D – Darstellungen aufzuarbeiten.
Das ist korrekt - die Artbeschreibung wird ganz klassisch mit üblicher Beschreibung und taxonomischen Messungen beschrieben. Der 3D Scan ist nur ein i-Tüpfelchen obendrauf, sozusagen etwas extra Information. Der Scan kann und soll nicht den Holotypen ersetzten.
Wurden von der neuen Art mehrere Arbeiterinnen sowie auch Gynen und Männchen gesammelt?
Wir haben mehrere Arbeiterinnen und zwei Königinnen, die Männchen sind leider unbekannt. Von einer Königin wird es auch einen Scan geben. Im kommenden Januar werden wir versuchen weitere Nester zu finden.
Die Aufnahme-Apparatur dürfte, selbst wenn sie mal kommerziell hergestellt wird, sehr teuer sein, vielleicht für Museen geeignet, oder für große Forschungsinstitute, aber jenseits von Gut und Böse für den privaten Gebrauch.
Werden Gutachter „wichtiger“ Journale künftig so etwas grundsätzlich für Artbeschreibungen fordern?
Der DISC3D ist nicht für den Privatgebrauch entwickelt, sondern genau für Museen. Er erscheint mit seinem etwa 9000€ Komponenten nicht gerade billig, aber das im Vergleich zu den zur Zeit genutzten 3D Scanner (Micro-CT, Synchroton) ist das geradezu "peanuts" (die anderen Scanner werden überhaupt von nur sehr wenigen Universitäten in Deutschland betrieben!). Außerdem um einiges leichter in der Anwendung, und noch dazu bietet er echte fotographische Texturen. Aber er hat natürlich nicht im Ansatz die selbe räumliche Auflösung wie ein Micro-CT.
Wird so etwas künftig gefordert? - Ich glaube so weit sind wir noch lange nicht - vielleicht in 50 Jahren? Im Prinzip gibt es aber keine Auflagen für Artbeschreibungen, man kann selbst die "billigsten" Artbeschreibungen in lokalen Minijournalen veröffentlichen und es werden nicht mal echte Bilder verlangt. Natürlich erwartet ein etwas renommierteres Journal da mehr, aber das ist völlig verständlich. Stackingaufnahmen kann heute jeder zu Hause machen, auch in Entwicklungsländern, und es gibt mMn keine Entschuldigung solche nicht in einer Artbeschreibung zu verwenden.
„Dauerhaftigkeit“: Vielleicht ist es meine etwas vorsichtige Einstellung, aber wir werden zunehmend von der IT abhängig und von deren Verfügbarkeit, dauernd und überall.
Der Trend in der Taxonomie ist nicht, dass man alte Methoden ersetzt, sondern sie ergänzt. Ohne klassische, schriftliche Charakterbeschreibung noch wie vor 100 Jahren wird keine Artbeschreibung veröffentlicht. Wer kein Internet hat, wird man trotzdem noch in den Museum nach den Holotyp-Exemplaren fragen können. Die Digitalisierung ist eine große Möglichkeit, alles zu vereinfachen und Zugang zur wissenschaftlichen Informationen zu verbreitern.
Es gibt inzwischen zahllose Artbeschreibungen nach je einem Einzelexemplar (oft Fallenfänge, oder aus „Gesiebe“. Ändern lässt sich das nicht so ohne Weiteres.
Danach werden solche Arten meist für „selten“ erklärt. Ich behaupte gerne, etwas provokativ: Wirklich seltene Arten gibt es nicht!
Ist die neue Odontomachus Art selten? Ich glaube nicht, sie wird in dem passenden Habitat (ecuadorianisches, möglicherweise auch columbianisches Choco) weit verbreitet vorkommen. Doch wie groß ist das passende Habitat noch? Der Ecuadorianische Choco erlebt eine der größten Abholzungsraten weltweit. Ganze 2% der ursprünglichen Fläche ist noch übrig!! Aber es interessiert fast niemanden. An der Station wo ich forsche, brettern täglich mehrere LKWs vollbeladen mit Holz vorbei. Das einzige Nest, dass wir kennen, stammt aus einem selektiv-genutzten Waldstück und gehört der Holzfällerfirma - sie kann jederzeit spontan entscheiden diese Fläche komplett abzuholen. Also, ist es falsch die Art als selten oder zumindest bedroht zu erklären?
Ein erstes Indiz ist, wenn ein oder zwei Exemplare an einem Ort „zufällig“ auftauchen (und wenn es jemandem auffällt, dass da etwas Besonderes vorliegt). Wo eine Ameise in der Barberfalle landet, gibt es in der Nähe auch mehr davon. Doch dann gilt es, die Umgebung gründlich nach Nestern abzusuchen.
Ja und nein. Das Beschriebene mag für artenärmere Regionen stimmen, aber wenn man es mit extremer Biodiversität in tropischen Regionen zu tun hat, dann ändert sich das Bild oft. Das sieht man, wenn man sich die am besten bekannte tropische Ameisenfauna anschaut, nämlich Costa Rica. Costa Rica ist so bekannt, weil dort seit über 20 Jahren Jack Longino Ameisen systematisch sammelt, und es die Artliste hat inzwischen über 1000 Artnachweise erreicht. Nun sollte man meinen, dass man langsam alles entdeckt hat, aber das Gegenteil ist der Fall. Nach mehreren Jahrzehnten Arbeit findet Jack immer noch neue Nachweise in seinen Fallen, die er nur einmal fängt, und dann nie wieder. Tatsächlich machen bei tropischen Arterassungen oft 10% der Arten Singletons aus, also Arten, die nur durch ein einziges gefangenes Individum repräsentiert werden. Das ist eine enorme Anzahl von Arten, die einfach extrem selten sind, und dann auch nie wieder sonst gefunden werden. Wieso das so ist, man weiß es nicht! Klar, ein paar von ihnen haben vielleicht eine andere Verbreitung oder ein spezielles Mikrohabitat, aber derart viele? Ein Großteil der Singletons bliebt oft unbeschrieben - wer nur ein Tier z.B. einer unbeschriebenen Pheidole Art findet, würde heute niemals auf die Idee kommen sich die Mühe machen sie zu beschreiben. Trotzdem gibt es enorm viele Arten, die nur mit einer einzigen Sammlung repräsentiert sind - und wenn der Holotyp im Museum verloren geht, dann war es das...
Grüße, Phil