Es gibt zwei grundverschiedene Formen von Anpassung, die leider immer wieder verwechselt bzw. in denselben Topf geworfen werden!a) Die eine ist die individuelle Anpassung an unterschiedliche Bedingungen, die auch mit dem sperrigen Begriff Akklimatisierung ausgedrückt wird.
b) Die andere ist die genetische Anpassung z. B. an anderes Klima, andere Nahrungsquellen, feuchte oder trockene Lebensräume etc..
Zu a): Der Titel der Originalarbeit lautet: F. Menzel et al., "How ants
acclimate: Impact of climatic conditions on the cuticular hydrocarbon profile."
Das sollte man besser mit „
Wie sich Ameisen akklimatisieren…“ übersetzen!
Es geht um eine rasche Veränderung, hier der Zusammensetzung der Wachsschicht, als unmittelbare Folge einer Änderung der Temperatur (und Feuchtigkeit) z. B. in Abhängigkeit von der Jahreszeit.
Vertraute
Beispiele sind etwa die Akklimatisierung von Sportlern oder Bergsteigern an größere Höhen, mit geringerem Sauerstoffgehalt, durch Bildung von mehr Roten Blutkörperchen.
Akklimatisaierung ist auch die „gesunde“ Bräune hellhäutiger Menschen bei mehr UV-Einstrahlung im Sommer (oder im Bräunungsstudio), oder die Einlagerung von Gefrierschutz-Verbindungen im Körper von Ameisen am Beginn der Überwinterung, oder die Fetteinlagerung bei Winterschläfern wie dem Murmeltier.
Das alles ist nicht überraschend: Physiologische Grundlagen ermöglichen diese „rasche“ Reaktion auf Veränderungen in der Umwelt, jeweils in beiden Richtungen: diese “Anpassung ist umkehrbar, bei ein- und demselben Individuum!
Auch an helles Licht oder Dämmerung können sich unsere Augen „adaptieren“, was auch gerne „Anpassung“ genannt wird, und in Sekundenschnelle erfolgt.
Zu b): Die Alternative ist die genetische Anpassung, über (viele!) Generationen. Man kann sagen: „Sie geht über Leichen“. Es ist die Darwin’sche Selektion der Geeignetsten (für die jeweiligen Lebensumstände).
Beispiele: Die Hautfarbe von Menschenrassen ist verschieden, und ein blonder Mittel- oder Nordeuropäer wird weder in der Sahelzone noch im Solarium so dunkel wie ein Schwarzafrikaner. Umgekehrt wird ein solcher auch in Nordschweden nicht ausbleichen.
(Bitte nicht falsch deuten: Es gibt nun mal angeborene Unterschiede zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkunft. Zum “Rassisten“ wird man erst, wenn man den Angehörigen verschiedener Rassen unterschiedliche „Wertigkeiten“ zuordnet!).
Schwarz war sehr wahrscheinlich die ursprüngliche Hautfarbe des
Homo sapiens und seiner Vorfahren. Erst im Zuge der Besiedlung Europas traten Mutationen in der Melaninsynthese auf, die eine hellere Hautfarbe verursachten (es dürften „Verlustmutationen“ sein). Die hellere Haut aber ermöglichte eine gesteigerte Produktion von Vitamin D bei der geringeren UV-Einstrahlung in höheren Breiten. Damit hatten hellere Menschen bessere Überlebensbedingungen und konnten mehr Nachkommen hinterlassen als die ursprüngliche, dunkle Form. Über sehr zahlreiche Generationen konnte sich die „Weiße Rasse“ in den lichtarmen Regionen der Erde durchsetzen. Das aber hat Hunderttausende Jahre gedauert!
Höhlenbewohnende Tiere (Arthropoden, Fische, Amphibien) haben auf dem Wege solcher genetischer Anpassung ihre Augen reduziert: Energie und Proteine für die Bildung von Augen und zugehörigen Gehirnteilen konnten eingespart werden, so dass derart „angepasste“ Individuen entsprechend mehr in Nachwuchs investieren konnten. Wiederum geht so etwas nur über viele Generationen, allmählich, bis die letzten Individuen mit kompletten Augen „ausgestorben“ sind.
Natürlich sorgt die Selektion auch dafür, dass jede Art (bzw. Population innerhalb weit verbreiteter Arten) an kurzfristig wechselnde Bedingungen angepasst ist, sich also an Sommer- und Wintertemperaturen, Licht und Dunkel etc. akklimatisieren kann. Die genetische Grundlage sorgt allerdings nur für einen „Toleranzbereich“, innerhalb dessen sich das Einzeltier kurzfristig anpassen kann.
„Anpassung“ an den Klimawandel ist allenfalls sehr begrenzt für Individuen möglich, bis an die Grenzen ihrer Toleranzbereiche.
Arten können noch relativ rasch auf grundsätzliche Klimaveränderungen reagieren, indem sie (bei hinreichend raschen Ausbreitungsmöglichkeiten) dem für sie zusagenden Klima „nachwandern“. Das ist nur in seltenen Fällen innerhalb einer Generation möglich, etwa bei Vögeln oder wandernden Großtieren. Üblicherweise ist auch hier zu erwarten, dass die am Ort verbleibenden Populationen allmählich kleiner werden und aussterben, und dass von ihren Nachkommen solche, die in Bereiche abwandern, in denen sich das Klima in für sie günstiger Richtung entwickelt hat, sich dort ansiedeln und fortpflanzen können. Bsp.: Bäume "wandern" im Gebirge zunehmend in größere Höhen. Natürlich nur, weil ihre Samen dank Klimaerwärmung in größerer Höhe auskeimen und zu Jungpflanzen heranwachsen können.
Zu den Veränderungen in der Chemie/ Physik der cuticularen Wachse: Diese Wachse einschließlich der flüchtigen Duftstoffe werden von zahlreichen, über die gesamte Cuticula verteilten Zellen der Epidermis produziert und durch feine Kanäle in der Cuticula an die Oberfläche gebracht. Die Wachsschicht wird durch Berührung (Kriechen in Erdtunneln, gegenseitiges Lecken der Ameisen!) ständig abgetragen und muss ersetzt werden; außerdem verdunsten kurzkettige Wachse, je wärmer es ist, desto mehr. Allein durch diesen Effekt wird man bei wärmer gehaltenen Ameisen mehr langkettige CHC finden (ich habe die Arbeit nicht genau gelesen; nehme aber an, dass die Autoren das berücksichtigt haben). Zusätzlich könnten die Drüsenzellen unter dem Einfluss höherer Temperaturen mehr langkettige CHC synthetisieren. Das wäre dann eine echte Akklimatisierung.
Es ist alles nicht ganz einfach, aber schön, dass die Autoren diese Vorgänge im Detail untersuchen!
MfG,
Merkur