Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Unterfamilie: Formicinae

Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon estraiger » Sonntag 19. April 2015, 13:36

Hallo liebe Ameisenfreunde,
Heute habe ich fahrlässiger Weise, eine fremde Lasius niger Arbeiterinn, aus meinem Hof, in mein Lasius niger Formicarium "gelegt". Ich weiß, dass man das nicht tun sollte, ich wollte aber unbedingt sehen was dann passiert. Ich weiß nicht ob mich einer versteht... Die Fremde lief erst einmal panisch umher, wich jeder Konfrontation mit einer meiner Mädchen aus. Meine noch überschaubare, aber sehr aktive Kolonie lebt noch im Reagenzglas, welches bis auf einen kleinen Eingang vollständig zugebaut ist. Nach kurzer Zeit fand die fremde Ameise den streng bewachten Eingang und ging unbeirrt direkt in die Kammer meiner Königin. Ich hatte selbstverständlich Angst um sie, doch außer ein bisschen Aufregung passierte nichts und der Eindringling sitzt ohne Unruhe zu stiften in der königlichen Kammer und bewegt seine Fühler (die Ameise ist ein bisschen größer als die anderen und deswegen gut erkennbar für mich). Sie gehört jetzt irgendwie dazu, dabei dachte ich, dass so ähnliche Ameisen große Rivalen sind und sich bekämpfen... Ich kann mir das nicht erklären. Hat jemand eine Idee was passiert sein könnte?
Euer Emanuel
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estraiger
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Captainwex » Sonntag 19. April 2015, 16:47

Hi,
Deinen Versuch habe ich mal "aus Versehen" probiert, als ich meine Lasius niger Kolonie hatte. Ich sah mal eine Lasius niger Arbeiterin auf dem Fußboden. Eigentlich hatte ich noch nie eine Ameise im Haus gesehen, also dachte ich, dass es eine Arbeiterin meiner Kolonie ist, die ausgebrochen ist. Also hab ich sie wieder ins Formicarium getan. Allerdings reagierte meine Kolonie sehr aggressiv und verjagte die fremde Ameise. Dass bei dir keine aggressive Reaktion kam, überrascht mich.
Mal schauen, was andere dazu sagen ;)
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon hormigas » Montag 20. April 2015, 11:25

hallo estraiger,
Es gibt einige Lasius Arten, ob du eine Lasius niger erwischt hast ist nicht so ganz sicher.
Ich bin auch immer überrascht was sich auf so einem Flecken Natur alles abspielt.
Verschiedenste Insekten eben auch Ameisen begegnen sich, ohne dass es gleich zum Kampf kommt.
Die fremde Ameise in deinem Nest wird früher oder später von deiner Kolonie getötet werden.
Wäre echt ein Wunder wenn es anders kommt.
LG
hormigas
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Reber » Montag 20. April 2015, 11:36

Bei Honigbienen (Apis mellifera) ist es gang und gäbe, dass sich einzelne, mit Nektar oder Pollen beladene Bienen verfliegen, diese werden von den Wächterbienen dann trotzdem in den Stock gelassen. Weibliche Bienen, die unbeladen kommen, werden dagegen meist aggressiv abgewiesen.

Bei Ameisen konnte ich diese Toleranz unter Angehörigen der gleichen Art noch nie in Nestnähe oder gar im Nest beobachten!
Jeder andere als der von hormigas geschilderte Ausgang der Angelegenheit würde mich deshalb sehr überraschen.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Trailandstreet » Montag 20. April 2015, 11:56

Naja, mit Bestechung...... ;)
Mich wundert es zwar auch, man sollte es aber nicht ausschließen. Es ist ja schon so, dass nicht mal Nestgenossinen akzeptiert werden, wenn sie zu lange weg waren und/oder der Kolonieduft verflogen ist oder verfälscht wurde.
Ich hab mal eine Myrmica zurückgestzt, entweder sie war auch zu lange weg oder es war eine aus einer anderen meiner Kolonien (die eigentlich weiter weg standen) Die wurde auch nicht (mehr) akzeptiert.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Boro » Montag 20. April 2015, 13:36

Es gibt Arten, die nestfremde Individuen der gleichen Art akzeptieren, denken wir nur an Zweignester der Waldameisen, die einen gleichen od. sehr ähnlichen Nestduft haben dürften; oder an Manica rubida, wo Nester mit eigenen Königinnen benachbart liegen und die Arbeiterinnen sich mehr od. weniger tolerieren u. es sogar einen regen "Besuchskontakt" der Arbeiterinnen im fremden Nest gibt.
Bei L. niger konnte ich bisher in meinem Garten nie tödliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeiterinnen fremder Nester beobachten, wohl aber im Frühjahr sog. "Kommentkämpfe", intensive taktile Kontakte in einer Arena, wo sich 2 Völker treffen und die Stärke des Gegners "testen", etwa den ritterlichen Turnieren im Ma. entsprechend. In einigen Fällen ist mir aufgefallen, dass niger-Arbeiterinnen mitunter gemeinsame Nahrungsquellen nützen, was nahelegt, dass es bei L. niger eine gewisse Toleranz der eigenen Art gegenüber geben kann.
L.G.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Trailandstreet » Montag 20. April 2015, 15:07

Ich hab erst heuer, nach der Winterruhe zwei Völker Lasius niger zusammen gesetzt, da eine der Gynen den Frost nicht überlegt hatte. Das weiselose Volk bestand aber bereits aus zwei Völkern. Die Arbeiterinnen haben sich eine Zeit lang betastet und sind dabei immer wieder auseinandergeschnellt.
Dieses Zucken hat sich aber dann relativ schnell beruhigt. Die Gyne wurde gar nicht angegriffen.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Reber » Montag 20. April 2015, 15:29

Hallo Boro
Das Verhalten, das du oben für Manica rubida und unsere Waldameisen beschreibst, bezieht sich doch auf polydome Kolonien?

@Trailandstreet
Bei weisellosen Völkern in Gefangenschaft liegt die Sache sicher nocheinmal anders. Trotzdem wäre ich Vorsichtig, beim Zusammenstellen von "Patchwork-Kolonien": Oft liest man in Foren ja von plötzlich auftretender Aggressivität innerhalb der Kolonie oder von gefressenen Larven und Puppen. Auf Nachfrage stellt sich dann oft heraus, dass „gephusht“ wurde.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon estraiger » Montag 20. April 2015, 15:43

Vielen Dank für die vielen Antworten!
Bis jetzt habe ich noch keine Tote Ameise gefunden... der Fremdling lebt also wahrscheinlich noch. Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, das ich die Arbeiterin zwischen meinen Fingern hielt, es könnte ja sein, dass so der Geruch etwas überdeckt wurde. Allerdings sah es schon so aus, als ob die Fremde sehr genau wusste, dass sie in Gefahr war und die richtigen Arbeiter haben sie auch ordentlich beschnuppert. Ich dachte immer, dass Lasius niger eine recht aggressive Art ist.
LG Emanuel
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Boro » Montag 20. April 2015, 18:59

Hallo Reber!
Auch SEIFERT schreibt zu den Nestformen v. Manica (S. 193): "Im Tiefland oft in ausgedehnten, oligogynen Koloniesystemen, deren Kolonieduft durch permanenten Austausch von Postpharyngealdrüsensekret homogenisiert wird. Die jeweiligen Königinnen jedoch separiert und untereinander feindlich." Diese Homogenisierung d. Kolonieduftes geschieht durch Ein- u. Auslaufen von Arbeiterinnen in die jeweiligen Nachbarnester; ich habe mich oft gewundert, warum Arbeiterinnen etwa Brut zwischen zwei oft über mehrer Meter entfernten Nestern stets hin- u. hertragen, das passiert aber nicht selten, sondern kann sich mit wenigen Unterbrechungen (Witterung) über Wochen hinziehen.
Inzwischen ist aber bekannt, dass Manica mitunter auch polygyn, ja sogar hochgradig polygyn sein kann.
Bei einigen Waldameisenarten etwa trennt sich eine Königin aus einem polygynen Nest und wandert dann mit einer Arbeiterschar aus und gründet viele Meter entfernt ein neues Nest. Das ist die Gründungsstrategie abseits der sozialparasitischen Gründung. Die Arbeiterinnen dieser getrennten Nester stehen sich anschließend nicht feindlich gegenüber.
Bei Lasius austriacus etwa ist das eigenartig friedfertige Verhalten den Arbeiterinnen eines fremden, aber artgleichen Nestes gegebüber sogar Gegenstand der Forschung: http://de.wikipedia.org/wiki/Lasius_austriacus
Aus meinen jahrzehntelangen Beobachtungen v. Lasius niger ergibt sich, dass eine Nestpopulation einem fremden Nest der gleichen Art gegenüber nicht zwingend aggressiv auftreten muss; vielleicht ist darin auch eine von mehreren möglichen Ursachen zu finden, die dazu beigetragen haben, dass diese Art die erfolgreichste in Mitteleuropa ist.
L.G.
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon estraiger » Mittwoch 22. April 2015, 18:32

Hallo Boro!
Vielen Dank für deinen ausführlichen und interessanten Beitrag! Meines Wissens nach verändert sich der Duft einer Kolonie nach und nach, d.h., dass wenn man eine Arbeiterin längere Zeit von der Kolonie trennt, diese vielleicht nicht mehr angenommen werden würde...
Deswegen müssten dann bei den Arten, welche sich verstehen (die du genannt hast), der Geruch gleich bleiben, oder?
LG Emanuel
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Krabbeltierfan » Mittwoch 22. April 2015, 19:09

Hey,

Deswegen müssten dann bei den Arten, welche sich verstehen (die du genannt hast), der Geruch gleich bleiben müsste, oder?

So wie ich den Text verstanden habe, gibt es zwischen den Kolonien einen ständigen Austausch der letztendlich den Duft der Teilkolonien konstant angleicht. Veränderungen über Zeit werden sicherlich davon "korrigiert" oder für alle übernommen. Also nein, ich denke sie müssen nicht gleich bleiben.

Grüße
Krabbel
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Re: Fremde Arbeiterin akzeptiert?

Beitragvon Boro » Mittwoch 22. April 2015, 19:32

Ja, der Duft einer Kolonie wird sich kaum wesentlich ändern, wohl aber der eines isolierten Individuums. Der "Nestduft" wird von einem zum anderen Nestmitglied übertragen, durch Berührungen, taktile Kontakte, Putzverhalten. Tritt ein isoliertes Individuum ein paar Wochen nicht in Kontakt mit Nestgenossen, geht dieser spezielle Duft vermutlich weitgehend verloren bzw. ändert sich, sodass diese Ameise anlässlich einer späteren Beigabe in das alte Nest nicht mehr als Nestmitglied erkannt wird.
http://ameisenwiki.de/index.php/Koloniegeruch
L.G.
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