Formica (Serviformica) fuscocinerea

Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Donnerstag 12. Juni 2014, 21:12

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Ein Vorteil: Dank ausgeprägter Polygynie rascher Aufbau der Nestpopulation
Formica fuscocinerea ist in den ostalpinen Tälern und den unmittelbaren Vorländern der Alpen im N (Alpenvorland) und S (Norditalien) eine häufige Art der cinerea-Gruppe. Mit dieser habe ich mich schon an anderer Stelle beschäftigt: viewtopic.php?f=48&t=237&p=1446&hilit=Formica+cinerea#p1446 Die drei Arten der cinerea-Gruppe kann man im Gelände nicht unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen F. fuscocinerea und F. cinerea ist noch um eine Stufe schwieriger.
In Kärnten ist F. fuscocinerea mit Abstand die häufigste Art der Gruppe und als Kulturfolger am Rand versiegelter Flächen in vielen Orten und Städten vohanden und im Vormarsch.
Der ursprüngliche Lebensraum ist eigentlich der Uferbereich naturbelassener Flüsse und Bäche. Die mitunter hohe Anzahl von Individuen mit hohem Rotanteil in der Ausfärbung kam bereits im vorigen Bericht zur Sprache.
Heute geht es eher um die Frage, ob diese Art wirklich ihre Wohnareale zum Nachteil anderer Arten ausdehnt. Bei uns wird vor allem Manica rubida in Mitleidenschaft gezogen, da sie oft in den gleichen Revieren wie F. fuscocinerea vorkommt, z. B. in den oben erwähnten Bereichen der Flussufer und auch der verwiegelten Flächen im urbanen Bereich. F. fuscocinerea ist zweifellos sehr territorial und vor allem ihre Superkolonien, also zusammenhängende Nestverbände aus einer größeren Anzahl von Nestern, dulden keinen Konkurrenten in ihrem beanspruchten Lebensraum. Das bekommen auch andere Arten und sogar sehr wehrhafte Ameisenarten zu spüren: Vor Jahren konnte ich den Rückzug eines volksstarken Camponotus vagus-Nestes beobachten und ein älteres Bild zeigt die kollektive Vorgangsweise der F. fuscocinerea-Arbeiterinnen: Die Nester der Konkurrenten werden so lange belagert und durch ständige Agitation irritiert, bis die Einwohner verhungern oder auswandern. Trotzdem: Eine sehr interessante und liebenswerte Art: ich habe ein Nest davon im Garten!
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In der Beobachtungsbox ängstlich zusammengekauert: Eine Königin mit ein paar Arbeiterinnen
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Auch Nacktpuppen kommen häufig vor
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Im Einzelkampf ist Manica rubida meist überlegen, aber: eine F. fuscocinerea kommt selten allein! Ihr verspritzes Gift alarmiert Kolleginnen in einer Entfernung bis 50 cm, die sofort zu Hilfe eilen!
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Ein altes Bild mit einer Kleinkamera aufgenommen: Ein Nest v. Camponotus ligniperdus wurde durch mindestens 2 Wochen belagert. Einzelne Verteidiger wurden nacheinander aus dem Nest gezerrt: Strecken-Gifteinsatz-Nackenbiss-Tod!!
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Donnerstag 12. Juni 2014, 21:33

Vielleicht ein kleiner Trost für jene user, die F. fuscocinerea ihr wildes Treiben nicht so recht gönnen: Es gibt immer einen "Stärkeren"! Im Garten lebt bei mir ganz ungeniert die myrmecophage Spinne Zodarion cf. italicum und die hat es auch auf F. fuscocinerea abgesehen!
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Ein Weibchen überfällt zu mitternächtlicher Stunde eine Arbeiterin v. F. fuscocinerea!
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Reber » Freitag 13. Juni 2014, 13:21

Hallo Boro,

einmal mehr: Vielen, vielen Dank für deine Berichte!

Das Verhalten und das bevorzugte Habitat welches du beschreibst, lässt mich vermuten, dass es sich bei vielen Serviformica Arten, die ich wie z.B. hier, wohl voreilig als "Formica cf. fusca" einstufe, um Ameisen aus der cinerea-Gruppe handelt?
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Das worum du dich bemühst,
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Freitag 13. Juni 2014, 13:43

Hallo Reber!
Da kannst du mit großer Sicherheit davon ausgehen! In den Flussauen, seitlichen Schotter- und Kiesterrassen kommt F. fusca nicht vor. In den angrenzenden Waldgebieten ist deren Vorkommen aber möglich, sodass sich beide Arten auch begegnen können, da M. rubida auch am Rand v. Schotterstraßen, gut besonnten Waldwegen, offenen Hangaufschlüssen usw. vorkommt. Ich hatte einmal beide Arten im Steingarten, konnte aber nie einen Konflikt beobachten, viell. war auch nur das Nest v. F. fusca zu klein.
Im gleichen Habitat (syntop) leben beide Arten aber nicht, wogegen die Arten der cinerea-Gruppe häufig mit Manica rubida in der Nachbarschaft leben; dabei kommt es aus Konkurrenzgründen zu Konflikten, die Serviformica dank einer hervorragend organisierten Gemeinschaftsarbeit fast immer für sich entscheidet. Die Arten beider Gattungen brauchen offene Räume mit möglichst wenig Bodenvegetation. M. rubida hat aber einen Bonus: Sie ist im Gegensatz zu ihren Konkurrenten in den Flussauen und städtischen Räumen auch Gebirgsameise und kommt (wieder auf offenen Flächen) bis fast 2000 m Höhe vor.
Deine 2 Abbildungen betr. den Konflikt zw. Manica u. Serviformica zeigen sicher keine F. fusca, sondern eine Serviformica der cinerea-Gruppe. Welche es ist, kann man nicht sagen, ich weiß z. B. nicht, ob F. fuscocinerea im Raum Bern noch vorkommt, da bietet sich viell. F. cinerea an!
L.G.
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Mittwoch 9. September 2015, 18:08

Ich habe mich schon hier mit den Arten der cinerea-Gruppe beschäftigt: viewtopic.php?f=48&t=237
Bei einer der letzten Wanderungen in den Augebieten und Schotterterrassen einer Wildflusslandschat in den Karawanken (Kärnten/Österreich) sind sie uns wieder sofort aufgefallen: Rötlich gefärbte Nestpopulationen der eigentlich als "aschgrau" bezeichneten Mitglieder der cinerea-Gruppe. In diesem Fall eindeutig Formica fuscocinerea. Die Populationen sind oft gemischt, es gibt "mausgraue" Individuen neben diesen rötlich gefärbten Tieren. Deren Rotanteil ist oft höher als jener der "bunten" Arten F. cunicularia und z. T. auch F. rufibarbis. Der erste Blick zeigt aber deutlich, dass diese rötlichen Exemplare eine durchgehend eher homogen verteilte Rötung aufweisen, während die zuvor genannten Arten meist eine eher fleckige Farbverteilung zeigen. Rot sind hier: Mandibeln, Wangen (eigenlich ein Bestimmungsmerkmal für die bunten Serviformica und Formica spp), Scapi, Pronotum wenig eingefärbt, Richtung Mesonotum und Propodeum wieder homogen steigend. Beine ebenfalls rotbraun od. rot. Rötliche Farbmerkmale können auch bei F. cinerea auftreten (SEIFERT:303).
Nur F. selysi habe ich bisher stets in der "aschgrauen" Version angetroffen....Fotos v. Sohn Roman
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Hier noch ein einigermaßen "graues" Exemplar
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...und hier die rötliche Version!
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Radiergummi » Mittwoch 9. September 2015, 19:01

Ich nutze mal die Gelegenheit und stelle zwei Videos ein: F. fuscocinerea bei der Aufnahme von Zuckerwasser.

Wie immer: Wien in unmittelbarer Nähe der Donau+
Aufnahmedatum: 26.07.2015

https://vid.me/BOFJ

https://vid.me/htYw
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Dienstag 7. Juni 2016, 14:12

Foto einer Arbeiterin v. F. fuscocinerea aus Graz/Österr. aus dem Augebiet des Flusses Mur. Foto: Roman Borovsky
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Samstag 22. Oktober 2016, 19:19

Wie viele Ameisenarten nützt auch F. fuscocinerea florale Nektarien. Im Sommer fand ich einen größeren Bestand der Sumpf-Ständelwurz (Epipactis palustris). Auf zahlreichen Blüten konnte ich Arbeiterinnen der Art beobachten, wie sie den Nektar der Blüten aufnahmen; ob es dabei auch zur Bestäubung kam, war nicht festzustellen. Wunderschöne Blüten übrigens, deren Anblick ein wenig Freude in die langsam grauer werdene Jahreszeit bringen soll.
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Re: Formica (Serviformica) fuscocinerea

Beitragvon Boro » Montag 8. Juli 2019, 20:18

Es ist bekannt, dass einige Ameisenarten mit Bläulingen in einer engen Beziehung stehen. Sohn Roman hat in der Steiermark/Österreich Formica fuscocinerea bei einer trophobiotischen Beziehung mit einer Schmetterlingsraupe beobachtet und fotographiert. Die Wirtspflanze des Schmetterlings ist der Weiß-Steinklee (Melilotus albus), bei dem Schmetterling kann es sich nach Auskunft unseres Experten um den Idas-Bläuling (Plebejus idas) oder den Ginster-Bläuling (Plebejus argus) handeln.
Ob die Raupe aus dieser Beziehung auch einen Vorteil ableitet und man daher von einer Symbiose zwischen Schmetterlingsraupe und Ameise sprechen kann, ist wegen der kurzen Beobachtung ungewiss. Formica fuscocinerea ist jedenfalls eine aggressive und recht wehrhafte Art. Ich konnte bisher F. fuscocinerea noch nie in Trophobiose mit Schmetterlingsraupen beobachten. Die Fotos zeigen hier die rötliche Farbmorphe, eine Farbvariante, die bei uns relativ häufig zu sehen ist.
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