Künstliche Besamung von Ameisenköniginnen

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Künstliche Besamung von Ameisenköniginnen

Beitragvon Merkur » Mittwoch 21. Januar 2015, 11:13

Die künstliche Insemination von Honigbienen-Königinnen ist eine Routinesache in der Imkerei. Bei Ameisen wurde sie ebenfalls versucht, mit den vergleichbar großen Königinnen von Atta colombica:
http://www.ameisenwiki.de/index.php/Ver ... lombica.29
Das Thema kommt in den Foren immer mal wieder auf, so im Dezember 2012 http://www.ameisenforum.de/338581-post7.html (zur Zeit nicht auffindbar, / 21. Jan. 2015), sowie aktuell in einem anderen Forum.

S. P. A. den Boer, J. J. Boomsma & B. Baer 2013: A technique to artificially inseminate leafcutter ants. – Insectes Sociaux 60, 111-118. http://link.springer.com/article/10.100 ... 3-3#page-1 ("Look inside" anklicken!)
Man kann darin ein eindrucksvolles Bild über die Innereien in der Gaster einer Königin ansehen; auch die Technik der künstl. Besamung wird abgebildet!

Das Ergebnis ist, kurz gesagt: Man kann Atta-Königinnen künstlich besamen (besser wäre: künstlich begatten, denn besamt werden Eier, und das erfolgt erst später; aber „künstl. Besamung“ und „artificial insemination“ haben sich eingebürgert, aus der Nutztierzucht).
Aber: Von 135 künstlich begatteten Königinnen haben nur acht (5.9 %) Eier gelegt, und von diesen haben drei schließlich kleine Kolonien mit mehr als 20 Arbeiterinnen gegründet.
Die Überlebensdauer der künstlich besamten Königinnen betrug zwischen 1 und 30 Tagen; eine einzige überlebte 252 Tage (es war eine der erfolgreichen Gründerinnen).
Unter den acht Tieren, die Eier ablegten, begann die Eiablage zwischen 3 und 14 Tagen nach Besamung.
Verwendet wurden Königinnen und Männchen aus Natur-Kolonien von Atta colombica in Panama, wo auch die Versuche durchgeführt wurden.
Resumée für die Zucht von Atta: Die Technik muss noch verbessert werden, und ob das Ganze je mit Zuchtkolonien etwa in Europa gelingen wird, steht bisher in den Sternen.

MfG,
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Re: Künstliche Besamung von Ameisenköniginnen

Beitragvon Merkur » Donnerstag 22. Januar 2015, 12:11

Ergänzung:
Im eusozial-Forum ( http://eusozial.de/viewtopic.php?f=94&t ... eb8#p31753 und folgende) wird darauf hingewiesen, dass es eine frühere Publikation gibt, in der über instrumentelle Insemination von Feuerameisen-Königinnen berichtet wird, von 1983:
David E. Ball, J.T. Mirenda, A. A. Sorensen & S. B. Vinson (1983): Instrumental insemination of the Fire Ant, Solenopsis invicta. – Entomologia Experimentalis et Applicata 33, 195-202.

Die komplette Arbeit ist schwer zu finden, aber hier gibt es ein französisches Résumé, das einige Details enthält:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1 ... x/abstract

Insémination artificielle de Solenopsis invicta
Daraus geht hervor, dass geflügelte Geschlechtstiere in einem Gewächshaus gehalten und zum Schwarmflug veranlasst wurden.
Geflügelte, jungfräuliche Weibchen wurden mit CO2 betäubt, aus Männchen hat man die Samenblasen und Anhangsdrüsen herauspräpariert. Ihre Inhalte wurden mit Kokosnuss-Milch* verdünnt und mittels Pipette in die „Uterustasche“* (*hier scheint der franz. Text Fehler zu enthalten!) eingespritzt. Die so begatteten Gynen wurden zur Koloniegründung in Glas- oder Plastikbehältern mit feuchter Watte gesetzt.

Die Ergebnisse zeigten, dass der Erfolg verbessert wird, wenn die Gynen zuvor geflogen waren, und wenn sie sexuell reif waren.
Die Gesamtmortalität der künstlich begatteten Gynen lag bei 55 %; von nicht geflogenen Gynen erzeugten in zwei Serien 41 bzw 35 % Arbeiterinnen; von sexuell reifen, aber nicht (?) geflogenen Gynen einer dritten Serie produzierten 65 % Arbeiterinnen.

Im Durchschnitt enthielten 71 % der inseminierten Gynen Sperma im Receptaculum und 31 % erzeugten Arbeiterinnen.
In sämtlichen Versuchen, in denen Arbeiterinnen auftraten, waren diese von „reduzierter“ Größe. (Anmerkung Merkur: Das dürfte nicht auf die künstliche Begattung zurückzuführen sein; eher vermute ich suboptimale Haltungsbedingungen).

Ein jüngerer Artikel:
Boris BAER (2011): The copulation biology of ants (Hymenoptera: Formicidae). - Myrmecological News 14, 55-68
In diesem Review-Artikel wird die Arbeit von Ball et al. 1983 erwähnt, ohne weiteren Kommentar.

In dem im Startpost behandelten Artikel von den Boer et al. (2013) allerdings heißt es, dass die Technik von Ball et al. 1983 nach Kenntnis der Verfasser niemals weiter entwickelt wurde.
Wenn das in 30 Jahren nicht geschehen ist, darf man annehmen, dass die Technik doch nicht so recht Erfolg versprechend ist.

- Ich hatte mich bei meinen Zuchtversuchen mit künstlicher Insemination nie befasst, schon wegen der geringen Größe von Formicoxenini- und Myrmecina-Gynen. Sie durften alle „richtig“, und das war am Erfolg gemessen auch gut so! :D

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Re: Künstliche Besamung von Ameisenköniginnen

Beitragvon Merkur » Sonntag 20. Dezember 2020, 11:42

Noch einmal: Künstliche Besamung von Atta-Gynen

In diesem Thread wurde bereits in 2015 einmal darauf hingewiesen. Im AAM-Discord wurde heute ein alter Beitrag aus dem AF zum Thema „künstliche Besamung“ von Ameisenköniginnen verlinkt.
Der Beitrag von 2013 ist im AF noch auffindbar.
Ich schrieb damals: “Man kann hier übrigens ein eindrucksvolles Bild über die Innereien in der Gaster einer Königin ansehen; auch die Technik der künstl. Besamung wird hier abgebildet!“
Dort verlinkt ist der Originalartikel: S. P. A. den Boer, J. J. Boomsma & B. Baer 2013: A technique to artificially inseminate leafcutter ants. – Insectes Sociaux 60, 111-118.
http://link.springer.com/article/10.100 ... 012-0273-3
Doch werden nur Summary, References und die Abbildungen ohne Text angezeigt; der ganze Artikel wäre nur gegen Gebühr erhältlich.
Ich habe die Zeitschrift seit Jahrzehnten abonniert. Aus meinem Exemplar habe ich nun die Abb. 1 sowie den Text dazu kopiert und aus der Vorschau die farbige Abb. 2 (im gedruckten Exemplar ist sie nur s-w), kombiniert in einer Abbildung, so dass man Bilder und Erläuterungen mit einem Blick erfassen kann.

Atta k.insem.gesamt.jpg
Künstliche Besamung von Atta colombica

Das Schema zeigt die Gaster einer Atta colombica-Gyne während der künstlichen Besamung. Das Hinterende ist oben, rechts wäre der Rücken, links die Bauchseite; die seitlichen Teile der Tergite (T) und Sternite (S) sind weggelassen, so dass die inneren Organe dargestellt werden können.
Die Gyne (Q) ist in einer Halterung (QH) festgelegt, wie man in der farbigen Abbildung a erkennen kann. Ein ventraler (VH) und ein dorsaler (DH) Haken halten das Hinterende offen, eine Glaskapillare (C) führt das Sperma durch die Vagina (V) in die Bursa copulatrix (B). Von dort gelangt es durch einen engen Spermagang (SpD) in die sehr große Spermathek (SP). Links unten (hinten) sind die beiden Ovarien angedeutet (O) in denen eine Ovariole (Ov) mit Eizellen deutlicher eingezeichnet ist.
Im farbigen Bild b ist der Eingang zur Vagina markiert sowie rechts davon (S) der rudimentäre Stachelapparat.

Es ist also schon bei den sehr großen Atta-Gynen eine ziemliche Fummelei, und wie im weiteren Text erläutert wird, ist der Erfolg doch sehr begrenzt:
Von 135 künstlich begatteten Königinnen haben nur acht (5.9 %) Eier gelegt, und von diesen haben drei schließlich kleine Kolonien mit mehr als 20 Arbeiterinnen gegründet.
Die Überlebensdauer der künstlich besamten Königinnen betrug zwischen 1 und 30 Tagen; eine einzige überlebte 252 Tage (es war eine der erfolgreichen Gründerinnen).
Unter den acht Tieren, die Eier ablegten, begann die Eiablage zwischen 3 und 14 Tagen nach Besamung.
Verwendet wurden Königinnen und Männchen aus Natur-Kolonien von Atta colombica in Panama, wo auch die Versuche durchgeführt wurden.
Resumée für die Zucht von Atta: Die Technik muss noch verbessert werden, und ob das Ganze je mit Zuchtkolonien etwa in Europa gelingen wird, steht bisher in den Sternen.
Weiterhin wird es im Handel nur aus dem Freiland entnommene Königinnen bzw. Kleinkolonien geben.

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